"Hamburg, meine Perle" - zwar war der Himmel grau und die Sonne ließ diese Stadt nicht wirklich glänzen, aber rund lief es trotzdem!
Glücklicherweise führte mich Josef durch die Straßen und Straßenbahnen. So lernte ich am ersten Tag die ruhigere Seite der Stadt kennen. Wir gingen am Hafen "längs", wie die Hamburger zu sagen pflegen, und unterhielten dort ein kleineres Publikum. Die Schiffe dort schienen aber keine Manieren zu haben, so unterbrach mich direkt beim ersten Lied ein unverschämt lautes Schiffshorn, doch dadurch ließen wir uns nicht entmutigen. Passend dazu spielte ich auch "Bittersweet Symphony" und wir sangen als Duett "The bittersweet between my teeth", nur leider ohne Zimt.
Besonders ermutigend war, dass ein Personentransportfahrrad, so nenne ich das jetzt einfach mal, auf seiner Fahrt eine Pause bei uns einlegte und zu "Ironic" im Takt mitwippte. Der Fahrer stieg nach Genuss des Liedes sogar aus und ließ uns etwas von seinem eigenen Verdienst da. Am nächsten Tag stürzten wir uns dann ins Getümmel: Die Spitalerstraße, der Jungfernstieg und der Hauptbahnhof standen auf unserem Plan. Vor allem die Spitalerstraße bereitete mir unglaublich schöne Erlebnisse: Die meiste Zeit war ich im Spiel versunken, doch als ich einmal aufsah, bemerkte ich, dass an fast jeder Ecke der Straße Menschen angehalten waren und den Blick auf mich gerichtet hatten. Meinen ganzen Körper überkam eine Gänsehaut - ich hatte es noch nie geschafft, so viele Leute um mich zu scharen, wenn auch vereinzelt und mit Sicherheitsabstand. Immer wieder kamen dann einzelne von ihnen vor und warfen etwas in meinen Koffer.
Doch es wurde noch besser: Ich spielte neben einer Bank, auf der nach einer Zeit ein paar Mädchen Platz nahmen. Eine von ihnen hatte auch eine Gitarre bei sich, was vielleicht ihr Interesse erklärte. Aus Interesse wurde dann Begeisterung, als sie ganz unerwartet applaudierten und jubelten. Hey, ich hatte sogar einen kleinen Fanclub! Ich merkte, wie sie tuschelten und über mich redeten und als ich dann zu "The A-Team" anstimmte, brachen sie in schallendem Gelächter aus. Nicht, weil sie mich auslachten, sondern weil sie sich genau diesen Song wohl zuvor insgeheim gewünscht hatten. Tja, ich kann eben Gedanken lesen! Als ich dann auf sie zuging, fragten sie mich, ob man mich irgendwoher kennen müsse. Und so stellte sich heraus, dass sie mich tatsächlich schon einmal auf YouTube gesehen hatten, mein Gesicht aber nicht mehr zuordnen konnten. Faszinierend, wie der Zufall uns anscheinend so zusammenführte. Auf ihren Wunsch hin machte ich ihnen dann auch noch ein Kompliment und spielte "Ein Kompliment" für sie. Es war wunderschön, abschließend in fröhliche Gesichter zu sehen und so nahm auch ich nachdem sie gegangen waren meinen Koffer und diese Bilder mit und zog weiter.
Als wir dann beim Jungfernstieg spielten, trafen wir einen alten Bekannten wieder: Der Fahrer des Personentransportfahrrads, der nun keine Personen mehr sondern Essen transportierte, hielt wieder an um uns zuzuhören! Meine Vermutung, einen hungrigen Eindruck zu machen bestätigte sich wieder einmal und so kramte er zwei Becher mit Salat aus seinem Anhänger und stellte diese in den Koffer. "Etwas Essen kann doch nicht schaden!", rief er uns zu und entfernte sich wieder.
Der Hauptbahnhof war unsere letzte Station und dort stellte ich mich direkt in die Menschenmasse, die in das Gebäude strömte. Jeder, der in das Gebäude wollte, musste an mir vorbei. Gewagt, aber ich wollte es einmal ausprobiert haben. "Entweder entsteht hier gleich eine Menschentraube um dich herum oder alle ignorieren dich", prognostizierte Josef. Wie ich schon am eigenen Leibe erfahren habe, sind Bahnhofsgäste sehr hektische Leute, also trat zunächst doch Letzteres ein.
Erst beim dritten Lied ungefähr hörte ich jemanden "Supertalent!" rufen, der sich aber nicht zu erkennen gab. Aus dem Augenwinkel sah ich auch einen jungen Mann mit einer Gitarre, der sich Zeit für mich nahm. Irgendwann trafen sich mein Blick und der eines Passanten, der mich zunächst ausdruckslos musterte. Das Ergebnis seiner Analyse ließ er mich auch spüren, indem er heftig den Kopf schüttelte und "Nein, nein, nein" sagte. Zwar traf mich das, weil mir zuvor noch niemand seine Abneigung so deutlich gezeigt hatte, aber das darauf folgende Ereignis machte es wieder gut: Eine Frau fragte mich, ob ich CDs verkaufen würde. Und ihr habe ich die grandiose Idee zu verdanken, dies fortan zu tun. Ich werde also künftig immer ein paar Exemplare meines Albums "Bleeding Fingers", auf dem sich neun meiner eigenen Songs befinden, dabei haben.
Das Schöne dabei ist, dass ich die Menschen, die meine Musik auf der Straße hören, nicht nur in diesem Moment ein Stück auf ihrem Weg begleiten darf, sondern dies auch über diese Zeit hinaus anhalten kann.
Ein großer Dank für diese wunderschönen zwei Tage geht an dieser Stelle auch noch mal an Josef, der sie in Form von Fotos und Videos festgehalten, mir ein Dach über den Kopf gegeben und meine Zeit verschönert hat!
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