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Writer's pictureJennifer Berning

Berlin

Um ehrlich zu sein, hatte ich vor Berlin den meisten Respekt. Diese Stadt ist schon anders als andere Großstädte. Ich war schon zuvor einmal dort, doch dann ausschließlich, wie es sich für Touris gehört, in Berlin Mitte. Nun erkundete ich auch Friedrichshain und Kreuzberg, wo ich auch in der “Soma Bar” spielen sollte.

Voller Tatendrang und Aufregung ging ich zunächst zur Oberbaumbrücke. Nun kam auch zum ersten Mal mein kleiner Verstärker mit dem Mikrofon zum Einsatz. Es war ungewohnt, verstärkt auf der Straße zu spielen, war aber dort auch gar nicht anders möglich.


Ich wurde gehört, das merkte ich ganz schnell, denn schon bald bildete sich ein kleines Grüppchen um mich herum, das meiner Musik zuhörte. Sie ließen es unkommentiert und gingen weiter, aber immerhin wurde ich Motiv eines Urlaubs(?)fotos von einem der Zuhörer. Dann hielt ein Mann inne, der mir bei vielen meiner Cover zuhörte. An seinem Gesicht konnte ich nicht so richtig ablesen, was er wohl über meine Musik dachte. Dann spielte ich einen eigenen Song. Meinen einzigen deutschen - “Gedankenschloss”. Als der letzte Ton verklungen war, applaudierte er mir. Wahrscheinlich hatte er nur auf etwas Eigenes von mir gewartet, denn dann verschwand er ganz schnell wieder.

Die Zeit verging wie im Flug, ich hatte geschlagene drei Stunden an der Oberbaumbrücke gespielt. Nach einer kleinen Pause und einem Stadtbummel peilte ich den Alexanderplatz an. Dort stellte ich mich an die Weltuhr und fand auch dort schnell Gehör. Nur einer hatte noch keinen Song von mir gehört und fragte gerade heraus nach einer CD. “Aber möchten Sie nicht erst einmal zuhören, ob meine Musik Ihnen auch gefällt?” - “Das weiß ich schon, ich kenne dich von YouTube und bin extra hergekommen.” Wow! Natürlich bekam er sofort eine CD.

Der Alexanderplatz ist bekannt für wildes Treiben, Hektik und überall Attraktionen. So auch an diesem Tag.


Es waren zwei weitere Musiker mit Gitarre und Verstärker dort und neben mir fand plötzlich ein Tanz von einer Gruppe statt. So wechselte ich zum Platz am Fernsehturm und am Roten Rathaus. Viele Touristen sammelten sich am Brunnen und andere machten eine kleine Pause auf einer Bank. Die richtige Atmosphäre. Auch hier bildete sich ganz subtil ein kleiner Fanclub, der mir auch nach einer Weile für jeden Song Applaus spendete. Zwei davon sprachen mich auch noch an. “Deine Stimme erinnert mich unglaublich an Joni Mitchell!” - Joni Mitchell scheint mich ja echt zu verfolgen. Ich nahm es freundlich lächelnd als Kompliment, sie für ihren Teil nahmen eine CD von mir. Dann gab es wohl einen der witzigsten Augenblicke meiner Straßentour: Mich sprachen zwei Typen an, die sich als YouTuber bei mir vorstellten und mich für meine Stimme lobten. Sie sagten, sie hätten Lust, ein Video mit mir aufzunehmen. Warum auch nicht? Ich ließ die beiden einfach mal machen. Entstanden ist daraus eine etwas paradoxe Darbietung von Johnny Cashs “Hurt”.

Wahnsinn, wie sehr ein paar Dance Moves und abstruse Bewegungen die Aufmerksamkeit auf einen lenken können. Vielleicht sollte ich die Berlin Twins von nun an als Background-Tänzer einstellen. Einen großen Dank an dieser Stelle noch mal an BeGin und FinIsh!


Es wurde schon Abend und ich musste weiter zur “Soma Bar”. “Beer colder than your ex-boyfriend’s heart” stand auf einer Tafel vor der Eingangstür, hier muss es gut sein. Um 22 Uhr kam ich aber in einer menschenleeren Bar an. So menschenleer war sie auch noch um 23 Uhr. Und auch um Mitternacht. Auch gegen 1 Uhr tat sich immer noch nichts. Bis ich dem Wirt schließlich anbot, mich mit meiner Gitarre einfach nach draußen zu setzen und damit Leute anzulocken. Oder zu verscheuchen, wie man’s nimmt… Doch ersteres war der Fall. Schon bald war die Bar um eine Hand voll Gäste reicher und ich um ein paar aufmerksame und begeisterte Zuhörer. Der eine schien sein großes Vorbild in mir zu sehen, versuchte auch selbst etwas auf meiner Gitarre zum Besten zu geben, was aber nach ein paar Bier nicht mehr so recht funktionieren wollte. Zwei andere diskutierten darüber, welche Stimmlage denn nun die bessere für mich sei. Aber alle waren sich einig, dass sie mit meiner Musik Ruhe fanden und den “Abend” (sofern man ihn um die Uhrzeit noch so nennen kann) schön ausklingen lassen konnten. Dieses gemütliche Beisammensein war mir letztendlich auch viel lieber und ich hatte permanente Zuhörer, mit denen ich mich zusätzlich auch noch ganz unverkrampft unterhalten konnte. Doch die Nacht sollte noch nicht enden…

Auf Empfehlung von einem guten Freund sollte ich nachts bei der S-Station Warschauer Straße vorbeischauen, dort würde jede Nacht ein sehr guter Gitarrist spielen. Ich war anfangs skeptisch, dass ich ihn wirklich antreffen würde, doch tatsächlich: Mitten auf der Brücke über den Gleisen, im sanften Licht der Straßenlaternen stand ein Mann mit einer E-Gitarre, der ganz versunken seine Riffs spielte. Aus einem Gespräch hörte ich einen Akzent heraus, den ich nicht verwechseln konnte - er war Ire! Ich liebe Irland, ich liebe irische Musik, ich liebe Iren. Auch ich kam mit ihm ins Gespräch und er war so aufgeschlossen und offen wie seine Musik. Ich stellte ihm Fragen zu seiner Person und er zu meiner. Und er sah auch meine Gitarre. Eigentlich hatte ich nicht mehr geplant, da zu spielen, aber ich konnte ihm seinen Wunsch einfach nicht ausschlagen. Zudem kam noch ein Film-und-Fernsehregiestudent dazu, der seine Bachelorarbeit über Straßenmusik schreiben möchte und mich dazu aufnahm. Ich spielte zuerst ein Cover und dann einen eigenen Song. “Focus on your originals. That’s what represents you the best. And if you don’t get the reaction you want, work harder on them.” Weise Worte zu so später Stunde. Ich fühlte mich, als hätte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ein so inspirierendes Gespräch, das sich aus dieser spontanen Session ergab. Wir redeten sehr lange und als ich auch ihm von meiner Zukunftsplanung erzählte, sagte er nur: “Never be sure about your dreams. You’ll always get back to music, you’ll need it.”

Berlin. So vielfältig die Stadt, so vielfältig die Erfahrungen, die ich dort machen durfte. Und so laut diese Stadt auch war, ich habe es tatsächlich geschafft, zu dem einen oder anderen vorzudringen, auch mit leisen Tönen. Das ist mehr, als ich mir hätte wünschen können.

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